Öffentliche Kunstwerke in den Elbtalauen
Zwei Werke des in Mödlich in der Prignitz lebenden Künstlers Bernd Streiter werden hier vorgestellt:
Charon. Die Skulptur steht in seinem Heimatort auf dem Deich. Der dargestellte Fährmann scheint über die Elbe zu wollen.
Texttafel:
Im Kontext zum Thema Tod entstand diese Vision vom Fährmann in die Unterwelt. Er hat kein Schädelgesicht, er ist nicht erschreckend, aber sehr ernst und würdevoll. Priesterhaft in seiner Erscheinung, nimmt er eher die Angst vor der Überfahrt. Man zweifelt und verzweifelt nicht an ihm. Beinahe gütig nimmt er uns hinfort, den Gesetzen der Ewigkeit unabdingbar folgend. Ich denke, auf seinem Wagen wird alles gut, die Sichel gilt nur dem Leib, nicht uns. Bern Streiter
Lenzener Narrenfreiheit - eine Figurengruppe auf dem Burgvorplatz in Lenzen. Der Amtmann Gijsels van Lier schrieb 1653 an seinen Dienstherren, den Preußischen Kurfürsten, über die turbulenten Verhältnisse nach dem 30jährigen Krieg. Die im Brief geschilderten Zu- bzw. Missstände werden in sieben Skulpturen aus Bronze dargestellt. Auf Bronzetafeln zu jeder Figur werden Ausschnitte aus diesem Brief zitiert.
Inschrift Bronzetafel:
In den Spiegel der Wahrheit schauet ohne Betrübnis, denn die Erkenntnis der eigenen Qualitäten bedarf manchmal eines Vermittlers wie mich, dem Eulenspiegel. Lachend offenbare ich Euch, wer Ihr seid.
Des Schalkes Genius waltet in folgenden Figuren. Sie zeigen, was der berühmte Amtmann Gijsels van Lier (1593–1676) nach dem 30-jährigen Kriege in Lenzen zu beklagen hatte. An den Rat der Stadt und an den großen Kurfürsten schickte er 1653 seine Anmerkungen und Beschwerden, deren wir hier einige in Bronze wiedergeben, denn der Menschen Unart währet ewiglich.
Inschrift Bronzetafel:
Zum Spott der fremdem Leute und zum eigenen Nachteil lieget der Mist ellenhoch uf den Gassen, ja so hoch, dass kein Mensch zum anderen kommen kann. Der Mist ist von den Bürgern, soweit sich eines jeden Logement erstrecket, entweder zusammenzuschuffeln, oder – weil er zum Ackerbau sehr dienlich – auf den Acker zu fahren, und kann ich mich nicht genug wundern, weil der Acker dieses Ortes des Mistes so bedürftig ist.
Ich erinnere mich, dass der Raht zu Brabant und Antwerpen sich den Mist zueigen gemacht, und bringet jährlich etzliche 1000 Gulden ein.
Inschrift Bronzetafel:
Es befindet sich, dass niemand der Amtsuntertanen, sei er Schulze oder Richter, weder lesen noch schreiben kann.
Deshalb möchte ich untertänigst bitten, neben dem Amtsschreiber ein paar qualifizierte Personen benennen zu können, die als Zeugen allen vorfallenden Actibus beiwohnen, damit mir niemand Böses nachreden und sagen möge, dass ich die Leute nach meiner eigenen Phantasie richte und zu meinem Nutz strafe.
Inschrift Bronzetafel:
Der Rat der Stadt hat ohnbeschwerdt jemand zu deputieren, der die Aufsicht über den Häuserbau führet, damit die Häuser nicht so schendtlich, wie an etzlichen Orten dieses Städtleins geschehen, hinfüro gebauet werden, zumahl ihnen solches selbst zum Schimpf und Schande der Durchreisenden gereichet.
Fürder ist dahin zu trachten, dass jegliche Gasse seinen Schick hätte und nicht voller Diebeswinkel gemacht werde. Denn eines Städtleins bester Zierrath ist, wenn die Häuser fein gleichförmig und proportionaliter stehen.
Inschrift Bronzetafel:
Selbst der Sonntag, da er sollte gefeyert und geheiliget werden, zum überflüssigen Saufen und Schwelgen – insbesondere unter der Predigt – von vielen gebrauchet und geschendet wird, und oft große Ungelegenheiten und Schlegerey entstehet, wie das eine Bürgerinne neulich am Sonntag, nachdem Ihr zwei Wunden in den Kopf geschlagen, mit Schaden erfahren hat:
Also wollte ich mich hiermit erkundigt haben, ob es nicht rahtsamb, dass diejenigen, welche Bier und Brandtewein ausschenken, durch ein angeheftetes Mandat befohlen werde, das Sie niemand, es sei denn zur Notdurft, etwas vor geendigter Predigt schenken lassen sollten.
Inschrift Bronzetafel:
Und weil es in allen Ämtern dieses Ortes so zugehet, dass nach Phantasie gerichtet werde, möchte ich zur Rechtfertigung meines Gewissens, dass alles, was gehandelt wird, schriftlich notiert werde, damit ich es Euer Kurfürstlichen Durchlaucht und jedermänniglich verantworten kann.
Es zeigt sich darin die allgemeine Rechtlosigkeit der Bevölkerung gegenüber dem Rat der Stadt. Wer sich irgendwie beklagte, wurde in die schlimmbste Gefengnüsse geworffen, wo er auch keine Aussicht auff Fleisch-, Bier- und Brotkauff hat.
Inschrift Bronzetafel:
Im März 1888 ereignete sich ein fürchterliches Hochwasser, bei dem die Deiche wegen Eisgangs brachen und Mensch und Vieh in höchste Not gerieten. Das eiskalte Wasser stand mancherorts bis an die Traufen der Häuser. Auch der Anbau am Ostgiebel der Mödlicher Kirche, in dem die Särge Gijsels van Liers und seiner Tochter standen, war überflutet. Einst als Admiral auf den Weltmeeren, schwamm der sagenumwobene Admiral nun letzmalig mit seinem makaberen Schiffchen. Sein Leichnam war nicht verwest. Er wurde aber auf Beschluss der Gemeinde 1912 in Mödlich an der Stelle begraben, wo einst seine Gruft stand.